Plauschen mit Padsy – Eine Binde packt aus

Schwungvoll wirft sie ihr frisch drapiertes Baumwollhaar zurück, während ein sanftes Lächeln über ihre Verpackung huscht. Trotzdessen merkt man ihr an: Die einhorn Padsy hat harte Monate hinter sich. Aber nun ist sie bereit, ihre Geschichte mit uns von der Period Times (PT) zu teilen. Eine Geschichte, die davon erzählt, wie sie vor mehr als 4 Jahren als soziales und ökologisches Experiment auf die Welt kam, in eine tiefe Sinn-Krise stürzte und sich wieder aus ihr hervor kämpfte wie ein geflügelter, saugstarker Phönix aus der Asche. In diesem exklusiven Interview offenbart sie uns auch, wie befreiend es sein kann, imperfekt zu sein und sich der ganzen Welt mit allen Stärken und Schwächen zu zeigen.

 

Am 1. August 2022 kam die Padsy mit veränderter Materialzusammensetzung, geschärfter Mission und frischem Look neu in die Regale. Unter anderem war ihre oberste Lage endlich aus der absoluten Traum-Baumwolle, der ökologische Fußabdruck um 31% kleiner als bisher und 50% ihrer Gewinne flossen ab jetzt in die Unterstützung unabhängiger, intersektional feministischer Arbeit. Die Padsy war ihrer Vision, ein Periodenprodukt mit gesellschaftlicher Veränderungskraft zu sein, damit ein großes Stück näher gekommen! Doch kurze Zeit später traten die ersten Probleme zu Tage: Die oberste Lage aus der neuen Traumwolle löste sich beim Tragen auf und die Padsy musste wieder vom Markt genommen werden – vielleicht sogar für immer. Ein Schock für alle, der die tiefgreifende Frage aufwarf, wo die Grenzen jahrelanger Nachhaltigkeits-Bemühungen verlaufen und inwieweit Einwegprodukte sie tatsächlich überschreiten können… Seit Mitte November 2022 ist die Padsy wieder erhältlich: Mit all ihren Stärken und Schwächen – imperfekt und dennoch glücklich.

 

PT: Liebe Padsy, sie sehen gereift aus, geradezu erleuchtet. Was verschafft uns heute die Ehre?

Padsy: Nun, vor einiger Zeit lag ich ganz vollgesaugt und zufrieden in einer Unterhose rum und philosophierte über die letzten sehr bewegten Wochen und Monate meines Lebens. Plötzlich schoss mir ein Gedanke in den Saugkern: Wenn ich nicht die Binde, sondern der Mensch mit der Binde in der Unterhose wäre, wie wäre das? Würde ich dann nicht mehr darüber wissen wollen, wer da vis-à-vis mit meinen Vulva-Lippen liegt? Würde es mir dann reichen, wenn eine Verpackung mir sagt: “Diese Binde ist nachhaltig”? Würde ich nicht am liebsten zurückfragen: “Ja, aber was heißt das denn für dich? Bist du nicht auch irgendwo unnachhaltig? Und wenn wir schon dabei sind, wieso hast du dich eigentlich in letzter Zeit so verändert? All die neuen Materialien und so… Gibt es jemand anderen?

PT: Und da auf keiner Verpackung dieser Welt genügend Platz ist, um eine Lebensgeschichte mit all ihren Höhen und Tiefen, sozialökologischen Zwickmühlen und großen gesellschaftlichen Visionen zu drucken, sitzen wir heute hier?

Padsy: Ja, ganz genau.

PT: Wunderbar! Dann lassen Sie uns doch zu ihrem Tag 1 im Regal zurückreisen, an dem Sie zum ersten Mal das Licht des dm Marktes erblickten. Wieso wagten Sie damals diesen Schritt? Gab es nicht schon genug andere Menstruationsprodukte?

Padsy (sie nimmt bedächtig einen Schluck von ihrem alkoholfreien Bloody Mary):

Ein Plastiküberzug direkt an der Vulva? Künstliche Superabsorber im Saugkern? Baumwolle, die weder ökologisch angebaut noch transparent & fair gehandelt ist? Der Duft einer chemischen Blumenwiese, um “schlechte” Gerüche zu überdecken? Eine Verpackung, die möglichst diskret und klischeehaft feminin (Blümchen, Herzchen, rosarot…) ist? Oh, es frustrierte mich etwas, aus welcher Reihe von Produkten Menstruierende wählen mussten. Nicht dass all die Produkte am Markt gänzlich schlecht gewesen wären. Keinesfalls! Auch die grüneren Varianten unter ihnen hatten definitiv ihre Vorzüge, aber ich wollte noch mehr! Mehr Enttabuisierung und mehr sozialökologische Nachhaltigkeit.

PT: Können denn Periodenprodukte, die man einmal benutzt und dann wegwirft, Ihrer Meinung nach überhaupt nachhaltig sein?  

Padsy: Eine Frage mit Zündstoff! In meinem einhörnlichen Elternhaus wird sie immer und immer wieder diskutiert. Einerseits muss ich mir in Anbetracht des Zustandes der Welt wohl eingestehen: Die ehrliche Antwort auf diese Frage lautet “Nein”. Zu viele Ressourcen gehen für eine zu kurze Nutzungsdauer drauf und landen letztlich als Müll in Verbrennungsanlagen oder gar in der Natur. Andererseits will ich nicht an der Realität vorbeiträumen: Ein großer Teil der Menstruierenden in Deutschland benutzt (weiterhin) Einweg-Binden. Sie tun das aber nicht, weil sie die Erde damit zerstören wollen, sondern weil sich manche Dinge nicht von heute auf morgen ändern und vorhandene Alternativen zu Einweg-Binden (noch) nicht für alle funktionieren… In der Zwischenzeit versuche ich, so nachhaltig wie möglich zu sein. Die Frage “Bin ich gut genug, so wie ich bin?” wird mich dabei wohl immer begleiten…

PT: Können Sie nochmal in ein paar Sätzen erläutern, was es für Sie heißt, sozial und ökologisch verantwortungsvoll zu handeln? 

Padsy: Ich glaube, um wirklich tiefgreifende soziale und ökologische Gerechtigkeit zu verwirklichen, braucht es den Mut, zu experimentieren. Die alten Wege haben uns in den Schlamassel geführt, aber die neuen liegen nicht als Blaupause in irgendeiner Schublade. Sie müssen erst erkundet werden. Ich verstehe mich als Teil eines solchen experimentellen Weges. Dieser Weg führt bei einhorn vor allem an drei wichtigen Säulen vorbei: Transparenz entlang der Lieferkette; Materialien, die sozial und ökologisch (auch messbar) vertretbar sind, und Partnerschaften auf Augenhöhe mit all unseren Vorlieferant*innen und Abnehmer*innen. Das mag vielleicht erstmal simpel klingen, ist aber tatsächlich weit davon entfernt, ein Standard in der Welt der Wirtschaft und auch der Menstruationsprodukte zu sein.

PT: Das kann man wohl sagen! Aber wer experimentiert, kann auch scheitern, oder? 

Padsy: Definitiv! Hochgesteckte Ambitionen und experimentelle Herangehensweisen laden regelrecht dazu ein. Das habe auch ich am eigenen Leib erfahren.

PT: Erzählen Sie uns ein wenig davon? An welchen Dingen sind Sie weshalb gescheitert? 

Padsy (lässt die Flügel etwas schlaff herunterhängen): Uff, an vielem, womit ich zu Beginn niemals gerechnet hatte. Hätten Sie mich mal vor ein paar Monaten gesehen… Da sah ich nach ein paar Stunden Tragen plötzlich aus wie ein zerzauster Langhaar-Frosch nach der Fliegenjagd – ganz fusselig und zerschlissen. Und das, obwohl das neue Topsheet (die oberste, nun zerzauste Schicht) eigentlich mein großer Durchbruch hätte sein sollen…

PT: Was ist passiert? 

Padsy: Um das zu erklären, muss ich etwas ausholen. Sie erinnern sich an die drei Säulen – Transparenz, nachhaltige Materialien, Partnerschaft? Natürlich versuchte ich, in meiner Ganzheit diesen Säulen gerecht zu werden, aber ein besonderer Fokus lag auf der Baumwolle, die in mir enthalten ist. Bei ihr sahen wir am Anfang den größten Handlungsbedarf: ein immenser Frischwasserverbrauch; ausbeuterische Arbeitsverhältnisse und eine große Portion Intransparenz, wann, wie, wo die Baumwolle kultiviert wird – selbst im Bio-Anbau. Also begaben wir uns auf die Suche nach einer Baumwolle, die fairer und ökologischer ist als alles bisher Dagewesene und fanden unseren Schweizer Baumwollpartner Remei. Orgastische Freude brach aus – natürliche Regenbewässerung, Rückverfolgbarkeit der Baumwolle bis aufs Feld, Anbau in Mischkulturen, langjährige vertrauensvolle Beziehungen zu den Kleinbäuer*innen, Abnahmegarantien, Fairness-Prämienzahlungen… (Sie summte “and the beat goes on”)

PT: Aber die Freude hielt nicht an? 

Padsy: Oh doch! Zumindest bis die neue Traumwolle auf die Verarbeitungsmaschinen traf. Die waren nämlich alles andere als begeistert, eine Baumwolle aufs Fließband zu bekommen, die noch nie zuvor für die Herstellung von Menstruationsprodukten benutzt wurde. Sie streikten. Die Baumwolle ließ sich für den Saugkern (und auch für die Tampons) gut verarbeiten, nicht aber für meine oberste Schicht, das Topsheet. Die gesamten vergangenen 4 Jahre arbeiteten wir daran, das zu ändern. Kurz bevor ich zum Fusselfrosch mutierte, dachten wir, wir hätten es endlich geschafft.

PT: Aber dem war nicht so… 

Padsy: Nein, zu unser aller Enttäuschung leider nicht und das obwohl wir sogar unseren Produzenten gewechselt hatten und alles so vielversprechend aussah… Denn die Maschinen hatten es tatsächlich endlich geschafft, eine ansehnliche oberste Schicht für mich herzustellen!
Auch meinen ökologischen Impact konnten wir mit Hilfe einer Ökoblanz-Analyse deutlich reduzieren, u.a. indem wir die Baumwolle im Saugkern durch Cellulose (Holzfasern) ersetzten.
Frisch generalüberholt mit neuem Produktionspartner, verbessertem ökologischen Fußabdruck und einem Topsheet aus Remei-Baumwolle feierten wir einen Neustart (Relaunch) am Markt. Doch schon nach kurzer Zeit mehrten sich die Beschwerden – meine neue Traumwoll-Schicht löste sich beim Tragen auf… und viele Jahre Arbeit mit ihr…

PT: Was glauben Sie, hätte anders laufen müssen?

Padsy: Es war naiv zu denken, Baumwolle ist gleich Baumwolle – die lässt sich schon verarbeiten. Alle Beteiligten kannten sich bestens auf ihrem Kerngebiet aus, aber nicht unbedingt auf dem der anderen: Unser Baumwollpartner Remei lieferte grandiose Baumwolle, wusste aber nur wenig über Hygieneprodukte. Unser Binden-Produzent Pelz ist zwar Experte auf dem Gebiet der Menstruationsprodukte, hatte aber mit unserer Wunsch-Baumwolle keine Erfahrung. Für Pelz war es auch das erste Mal, dass ihr Kunde (einhorn) eine andere als die bisher verwendete Baumwolle für die Produktion vorschlug. Und meine einhorn-Eltern mussten auf beiden Gebieten, dem der Baumwolle und der Periodenprodukte, von der Pieke auf Vieles neu lernen.

PT: Und so nahm das Schicksal seinen Lauf bis zum fusseligen Langhaarfrosch… Wie haben Sie dann auf den Rückschlag und den missglückten Neustart reagiert? Welche Konsequenz haben Sie daraus gezogen?

Padsy: Es brachen rasante Woche an. Wir bildeten ein Krisen-Team, diskutierten viel, sondierten die verschiedenen Optionen, die wir jetzt hatten: mit dem Remei-Topsheet weitermachen, wieder den Produzenten wechseln, mich ganz aus dem Sortiment nehmen, mein Topsheet aus anderer Baumwolle herstellen… Die perfekte Lösung gab es nicht, alle Möglichkeiten hatten ihr Für und Wider. Wir fassten uns ein Herz und entschlossen uns dazu, weiterzumachen – mit der obersten Schicht nicht aus Remei-Baumwolle, sondern aus “normaler” zertifizierter Bio-Baumwolle. Die Produktionsmaschinen waren glücklich, aber unser Fairstainability-Auge tränte.

PT: Puh, das hat wohl ziemliche Existenzängste in Ihnen ausgelöst? 

Durch den Femfund gehen 50% der Padsy-Gewinne an feministische Aktivist*innen und NGOs

Padsy: Das können Sie laut sagen. Ich war ganz durch den Wind zu der Zeit, klebte andauernd zur falschen Zeit am falschen Ort, fand mich plötzlich in Achselhöhlen und als Einlage in Herrensandalen wieder…grausig. Aber diese persönliche Krise brachte mich auch dazu, mich zu besinnen: Ich bin nicht perfekt, aber aus der Perspektive einer grundsätzlich umweltbewussten Unterhose immer noch eine ziemlich gute Partie. Und bin ich nicht einfach auch mehr als nur meine Materialien? Stehe ich nicht für eine noch größere Idee? Ist da nicht der FemFund, die Enttabuisierung der Periode, für die ich mich so einsetze, und der experimentelle neue Weg, dessen Teil ich bin?

 

PT: Wenn man da mal nicht den ersten Schrei eines Phönixbabies im Aschehaufen hört… 

Padsy: Sowas von! Und apropos Haufen, wo ist eigentlich Ihre Toilette?

Noch ehe ich ihr den Weg erklären konnte, war sie bereits verschwunden. Das unverhofft schnelle Ende einer einprägsamen Begegnung und mein Startschuss, um über die Komplexität von Produkten und sozialökologischer Verantwortung noch einmal ganz neu nachzudenken…
Tiefgreifende Nachhaltigkeit und Enttabuisierung garniert nicht einfach einen alten Auflauf mit neuem Käse. Man stellt Ansprüche, von denen man nicht weiß, ob sie erfüllt werden können und auf welchem Wege sie sich umsetzen lassen. Also probiert man aus. Man stolpert, jubelt, knickt um, steht wieder auf, macht Freudensprünge und fällt bei der Landung vielleicht direkt ins nächste Fettnäpfchen. Padsy ist Teil eines solchen Versuchs, alte Gegebenheiten in der Tiefe zu verändern. Sie macht es ihren Nutzer*innen und den einhörnern damit nicht immer leicht – aber eventuell ist es an der Zeit, mehr Mut für Experimente und Eskapaden aufzubringen, wenn der Blick in die Zukunft ein hoffnungsvoller sein soll. 

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