Interview: einhorn spricht mit der Kautschuk Expertin Antje Ahrends

Ich habe mich mal wieder mit einer Expertin unterhalten. Diesmal Antje Ahrends, Leiterin der “Genetics & Conservation” Abteilung des Royal Botanic Garden Edinburgh. Ich war über einen Artikel in der National Geographic auf sie aufmerksam geworden und habe sie zu ihren sozio-ökologischen Erkenntnissen zum globalen Kautschukanbau befragt.

einhorn: Liebe Frau Ahrends, Sie sind Leiterin der „Genetics and Conservation“ Abteilung des Royal Botanic Garden Edinburgh. Außerdem haben Sie die Studie “Current trends of rubber plantation expansion may threaten biodiversity and livelihoods” verfasst. Also die perfekte Ansprechpartnerin für uns.

  • Können Sie uns kurz sagen, was Ihre Aufgabe am Royal Botanic Garden Edinburgh ist?

Ahrends: Der Royal Botanic Garden Edinburgh hat drei wesentliche Arbeitsfelder:

  1. Wir erforschen und beschreiben der Diversität der Pflanzenwelt.
  2. Wir tragen zum Schutz und zur nachhaltigen Nutzung dieser Biodiversität bei.
  3. Wir wollen den Menschen nahebringen, welchen Nutzen die Pflanzenvielfalt hat und warum es sie zu schützen gilt.

Ich selbst bin vor allem in der Forschung tätig. Wir bemühen uns, praxisnahe und relevante Forschung zu machen, die zu einer nachhaltigen Nutzung von natürlichen Ressourcen beiträgt. Meine Aufgabe besteht hauptsächlich darin, die Verbreitung von Biodiversität und verschiedenen Landnutzungsformen zu untersuchen. Daraus ziehen wir Schlüsse, wie der Mensch Biodiversität beeinflusst und wie nachhaltige Strategien zur Erhaltung von Biodiversität aussehen könnten. Geographisch bezieht sich meine Arbeit vor allem auf Ostasien und Ostafrika.

Kautschuk Fakten

  • einhorn: Können Sie mir einen Überblick zu Kautschuk geben? Wo wird er verwendet? Was sind die Hauptanbauregionen für Kautschuk? Wie groß ist die Fläche, auf der Kautschuk global angebaut wird?
Foto: Peter M Hollingsworth, Royal Botanic Garden Edinburgh

Foto: Peter M Hollingsworth, Royal Botanic Garden Edinburgh

Ahrends: Naturkautschuk ist einer der wichtigsten industriell genutzten Rohstoffe. Er ist nach wie vor resistenter und elastischer als synthetisch hergestellte Alternativen. Deshalb wird er vor allem für die Produktion von Lkw- und Flugzeugreifen verwendet. Auch Pkw-Reifen bestehen zu etwa 1/3 aus Naturkautschuk. Davon werden jährlich über eine Milliarde produziert.

“Insgesamt werden etwa 70 % des global produzierten Naturkautschuks in der Reifenindustrie verwendet.”

Naturkautschuk befindet sich aber auch in vielen Hygieneartikeln, wie z. B. Kondomen und Sanitätshandschuhen und in Alltagsgegenständen wie Radiergummis, Gummistiefeln, Matratzen und Dichtungsringen.

Jährlich werden derzeit etwa 12 Millionen Tonnen Kautschuk produziert. Das ist fast doppelt so viel wie noch im Jahr 2000. Da lag die jährliche Produktion bei ungefähr 7 Millionen Tonnen.

Weit über 90 % des global verbrauchten Kautschuks werden in Asien produziert. Die Hauptanbauregion liegt im insularen Südostasien – also vor allem in Ländern wie Indonesien, Thailand und Malaysia. Dort sind die Klimabedingungen ideal. Der Kautschukanbau breitet sich aber auch zunehmend weiter nördlich in das südostasiatische Festland aus, wo die großklimatischen Bedingungen ungünstiger sind, z. B. nach Vietnam, Nordthailand und China. Das liegt unter anderem daran, dass die Nachfrage nach Kautschuk steigt und dass Kautschuk in den ursprünglichen Anbaugebieten durch die noch lukrativere Ölpalme verdrängt wird. Das schafft wirtschaftliche Anreize dafür, den Kautschukanbau immer weiter in neue Regionen auszuweiten.

Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre.

Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre.

“Wie groß die weltweite Fläche ist, die der Kautschukanbau einnimmt, ist schwer zu sagen.”

Die nationalen Statistiken sind hierzu sehr unterschiedlich und oft unzureichend. Hinzu kommt, dass Kautschuk nach den internationalen Kriterien der UN Food and Agriculture Organization als Wald gilt. Eine Umwandlung von ursprünglichen Wäldern in Kautschukplantagen ist den nationalen Waldstatistiken also nicht zu entnehmen. Kautschukflächen sind auch schwer anhand von Satellitenbildern zu bestimmen. Die spektralen Charakteristika von älteren Kautschukplantagen ähneln denen von Wald. Auch junge Kautschukplantagen kann man nur schwer auf Satellitenbilder erkennen. Sie unterscheiden sich wiederum nicht stark von anderen Nutzpflanzen.

Wir gehen aber davon aus, dass Kautschuk auf einer Fläche von mindestens 130.000 km2 angebaut wird.

“Das wäre eine Fläche so groß wie Griechenland.”

Nach unserem letzten Kenntnisstand könnten es aber auch über 200.000 km2 sein. Wir befinden uns diesbezüglich immer noch in der Forschung.

Kautschukanbau und seine Auswirkungen auf die Umwelt

  • einhorn: Kautschuk ist ein nachwachsender Rohstoff. Warum sehen Sie dennoch eine Gefahr für die Umwelt im konventionellen Kautschukanbau?

Ahrends: Aus ökologischer Sicht ist eines der größten Probleme, dass nach wie vor viele Wälder für den Kautschukanbau gerodet werden. Das führt zu einem Verlust an Artenvielfalt und Freisetzung von CO2 in die Atmosphäre.

“Kautschukmonokulturen werden auch grüne Wüsten genannt, denn außer Kautschuk wächst dort nichts mehr.”

Wir untersuchen derzeit, wie groß die Fläche ist, die in den letzten

Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre.

Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre.

20 Jahren für Kautschukanbau gerodet wurde. Nach unseren ersten Ergebnissen ist sie ungefähr so groß ist wie die Fläche Costa Ricas.

 

Problematisch ist auch, dass die Kautschukmonokulturen sehr anfällig für Schädlinge sind. Oft werden exzessiv Agrarchemikalien wie Pestizide und Düngemittel eingesetzt und das wirkt sich wiederum negativ auf die lokale Wasserqualität aus. Außerdem verbraucht Kautschuk relativ viel Wasser und kann deswegen in trockenen Gebieten negative Einflüsse auf den Landschaftswasserhaushalt haben.

Schwankendes Einkommen für Kleinbauern

Aus sozio-ökonomischer Sicht kann man positiv sagen, dass der Kautschuk vielen Kleinbauern ein gutes Einkommen bietet. Allerdings ist es so, dass die globalen Kautschukpreise stark schwanken. Die Preise hatten sich z. B. zwischen 2000 und 2011 verdreifacht. Seitdem sind sie aber schon wieder um über 70 % gefallen. Kleinbauern, die ihre gesamte Landwirtschaft auf Kautschuk umgestellt haben, sind nun stark abhängig von diesen komplexen globalen Marktmechanismen. In diesem Zusammenhang ist es besonders besorgniserregend, dass sich der Kautschukanbau so stark in klimatisch ungünstige Gebiete ausgebreitet hat, in denen die Erträge oft geringer sind. In solchen Gebieten kommt es auch regelmäßig zu Schäden an den Plantagen, was mit großen Einkommenseinbußen verbunden sein kann. Das heißt, dass der Kautschukanbau dort mit großer Wahrscheinlichkeit nicht nachhaltig ist. Trotzdem werden dafür Wälder gerodet – insgesamt also ein Verlustszenario.

Wo muss man ansetzen?

  • einhorn: Was sind die größten Aspekte, die man beim Kautschukanbau angehen muss?

Ahrends: Zunächst einmal müsste die Rodung von Wäldern für Kautschuk minimiert werden. Man müsste den Kleinbauern und Plantagenarbeitern faire Preise zahlen. Außerdem müssten Kleinbauern über die möglichen ökologischen und ökonomischen Folgen aufgeklärt werden, die entstehen, wenn Kautschuk in dafür ungeeigneten Gebieten angebaut wird. Es wäre auch wichtig, Kleinbauern über einen verantwortungsvollen Umgang mit Agrarchemikalien aufzuklären, weil diese oft viel zu intensiv eingesetzt werden.

Warum erhält Kautschuk so wenig Aufmerksamkeit?

  • einhorn: Warum denken Sie, dass Kautschuk und sein Einfluss auf Umwelt und Menschen in den Anbauregionen bisher so wenig Aufmerksamkeit genossen hat – gerade im Vergleich zu anderen Rohstoffen wie Baumwolle oder Palmöl?

Ahrends: Das ist sehr schwer zu sagen. Eigentlich ist mir auch nicht ganz klar, warum Kautschuk so wenig Aufmerksamkeit erhält.

“Die Kautschukproblematik wurde lange von der Ölpalmproblematik überschattet.”

Es ist gut, dass das Bewusstsein der Öffentlichkeit sehr geschärft ist für Palmöl. Aber die Probleme, die durch den Kautschukanbau entstehen, sind nicht minder gravierend. Für Kautschuk werden nach unseren bisherigen Erkenntnissen genauso viele Wälder gerodet wie für Ölpalmen, vielleicht sogar noch mehr. Das ist ein Thema, das wir derzeit untersuchen.

Was gibt es für Trends?

  • einhorn: Was gibt es für Trends im globalen Kautschukanbau? Gehen
    Jianchu Xu, World Agroforestry Centre.

    Jianchu Xu, World Agroforestry Centre.

    Sie davon aus, dass die Nachfrage in den nächsten Jahren steigen wird? Gibt es wie bei anderen Rohstoffen auch einen Trend zu nachhaltigem / fairen Kautschukanbau bzw. mehr Menschen, die die Herkunft von Kautschuk und seinen Einfluss auf Menschen und Umwelt hinterfragen?

Ahrends: Die Nachfrage ist in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich angestiegen. Zwar hat sich die Nachfrage teilweise verlangsamt, aber der ansteigende Trend wird sicherlich noch eine Zeit anhalten. Bisher stecken die Bemühungen, nachhaltigen und fairen Kautschuk zu produzieren, noch sehr in den Anfängen. Eine standardisierte Zertifizierung, die in mehreren Ländern gültig wäre, gibt es nach wie vor nicht und bisher gibt es auch nur relativ wenige Firmen, die sich in dieser Hinsicht engagieren. Die Entwicklung eines Zertifizierungssystems könnte dazu beitragen, dass die oben beschriebenen Verlustszenarien vermieden werden – vor allem, wenn es durch bewusste Konsumentenentscheidungen für einen nachhaltig hergestellten Kautschuk unterstützt wird.

Bildbeschreibung:

Titelbild 1: Forscherin Antje Ahrends mit einem Kautschukbaum. Foto: Peter M Hollingsworth, Royal Botanic Garden Edinburgh.

Bild 2: Kautschuk zapfen. Foto: Peter M Hollingsworth, Royal Botanic Garden Edinburgh.

Bild 3: In Suedchina (Xishuangbanna) sind inzwischen 20% der Landesfläche von Kautschukplantagen bedeckt. Dafür wurden viele Wälder gerodet. Das Foto zeigt Kautschukplantagen soweit das Auge reicht. Die Plantagen liegen immer häufiger an steilen Hängen oder in großen Höhen (über 900 m). Hier sind sie ökonomisch nicht nachhaltig und richten erhebliche Umweltschäden an (Bodenerosion, Sedimentierung von Flußläufen, starker Einsatz von Pestiziden und Düngern). Foto: Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre.

Bild 4: Kleine verbliebene Waldfragmente in einem Meer von Kautschuk (links und in der Mitte vom Bild). Foto: Dietrich Schmidt Vogt, World Agroforestry Centre.

Bild 5: Eine kümmerliche Kautschukplantage im Süden von Laos, die keine Gewinne erzielt. Die Plantagen sind hier regelmäßig langer Trockenheit ausgesetzt. Foto: Jefferson M. Fox, East-West Centre.

Bild 6: Ein junger Kleinbauer. In ungünstigen Gebieten kommt es häufig zu Plantagenverlusten durch Taifune, Trockenheit, Frost und Bodenerosion. Viele Kleinbauern haben ihre gesamte Existenz auf den Kautschukanbau umgestellt. Plantagenverluste, Preisschwankungen und geringe Ernten treffen sie hart. Foto: Jianchu Xu, World Agroforestry Centre.


Leave a Reply

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert