Ein Grund zum Feiern?
Angenommen, du bist weiblich*, arbeitest und lebst in Deutschland (wenn das nicht auf dich zutrifft, dann solltest du trotzdem unbedingt weiterlesen) – Herzlichen Glückwunsch, das ist dein Tag – denn heute, am 18.03. wirst du endlich das erste Mal in diesem Jahr für deine Arbeit bezahlt. Während Männer schon seit dem 1.1.2019 bezahlt werden, steht der Equal Pay Day am 18.03. symbolisch für den Tag im Jahr, ab dem Männer und Frauen gleichermaßen für ihre Arbeit entlohnt werden. Damit bezieht er sich auf den sogenannten “Gender Pay Gap”, der die Lohnunterschiede von Frauen und Männern beschreibt und in Deutschland bei satten bei 21 % liegt. Dass das Ganze natürlich eher ein Grund zum Aufregen als ein Grund zur Freude ist, muss ich glaub ich nicht nochmal erwähnen.
Welche Faktoren der Gender Pay Gap genau berücksichtigt und was die Gründe für diese überhaupt nicht fairen Arbeitsverhältnisse sind, will ich in den nächsten Zeilen festhalten, mit der Hoffnung, dass der Gender Pay Gap nächstes Jahr gesunken ist.
Stillstand seit 20 Jahren
Denn das Peinlichste an der ganzen Geschichte ist, dass der Gender Pay Gap in Deutschland schon seit 20 Jahren nahezu unverändert ist. Und noch dazu steht Deutschland mit 21,1 % im EU-Vergleich ziemlich lausig da; nur noch in Tschechien (21,1%) und Estland (25,6%) ist die geschlechterbedingte Lohnungerechtigkeit laut Statista noch größer.
4,51 pro Stunde weniger
Um diese 21% mal etwas greifbarer zu machen, hier ein paar Vergleiche: statt wie die männlichen Kollegen pro Stunde brutto 21,60 abzusahnen, ackern Frauen durchschnittlich für 17,09 die Stunde. In den ehemalige DDR-Bundesländern liegt der Gender Pay Gap übrigens bei 7 %, in den westlichen Bundesländern aber bei 22%. Das sind im gesamtdeutschen Durchschnitt 4,51 Euro brutto pro Stunde weniger. Oder 77 unbezahlte Tage pro Jahr. Da stellt sich die Frage….
Was, um Himmels Willen, ist hier los?
21% ist schon eine wirkliche Hausnummer. Allerdings kommen die auch zustande, weil Frauen durchschnittlich häufiger in prekären Arbeitsverhältnissen angestellt sind. Berufe, die “weiblich” konnotiert sind, wie die im sogenannten Care-Sektor, also in der Pflege oder der frühkindlichen Erziehung werden nicht entsprechend entlohnt. Frauen stecken häufiger für die Familie zurück als Männer und arbeiten “der Familie wegen” in schlechter bezahlten Jobs ohne Aufstiegschancen. Noch dazu mangelt es oftmals an staatlicher Unterstützung, wenn sie wieder in den Job einsteigen wollen. Merke also: 21% ist der “unbereinigte”, aber trotzdem relevante Gender Pay Gap, der Frauen auf struktureller und gesellschaftlicher monetär diskriminiert.
Es fehlt an Vorbildern
Aber warum unterschätzen sich Frauen oftmals, wenn es um die Berufswahl geht? Warum gibt es überhaupt “Männerberufe” und “Frauenberufe” und sind diese Kategorien nicht sowieso komplett überholt?
Abgesehen von der Tatsache, dass Frauen viel mehr dem gesellschaftlich Druck unterliegen, zurückzustecken , sobald nachwuchs ins Haus steht (und dies sich nur langsam ändert), ist es wichtig zu verstehen, dass es zu wenig Role Models, also prominente Vorbilder, in gut bezahlten Berufen fehlt. Wenn in Gegenwart von Kindern immer nur von Managern, Ärzten, Richtern, Anwälten und andere Geschlechter in der Sprache konsequent ignoriert werden, erschließt es sich Kindern oftmals nicht, dass es dazu auch ein weibliches Pendant gibt. Deswegen ist es unter anderem auch so wichtig, zu gendern, denn wenn Mädchen das Wort “Managerin” oder Chefin oder Richterin hören, erscheint es ihnen auch viel näher, solche Berufswünsche zu formulieren und anzustreben (anstatt immer nur Krankenschwester oder Kindergärtnerin).
Der Gender Pay Gap hat also nur mit der Berufswahl zu tun?
Ganz so einfach ist das leider nicht. Denn wenn man die oben genannten Faktoren rausrechnet, dann ergibt sich der sogenannte “bereinigte” Gender Pay Gap. Dieser liegt in Deutschland bei 6% und beschreibt, dass Frauen mit den gleichen Qualifikationen in den gleichen Berufen 6% weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen bekommen. “6% – stellt euch mal nicht so an!” Ehh, doch. Das sind auf das Jahr gerechnet immer noch 22 Tage, in denen Frauen im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen unbezahlt ackern.
Geht’s noch?
Das ist unfair – wieso macht niemand was dagegen?
Naja, nicht so richtig. Das im Juli 2017 verabschiedete “Entgelttransparenzgesetz”, durch das man in Deutschland theoretisch Einblick in die Gehälter seiner Kolleg*innen einfordern kann, schafft wenig Abhilfe, denn dafür muss man zum Beispiel in einem Konzern mit über 200 Mitarbeitenden angestellt sein und es wird nicht in das Gehalt aller Mitarbeitenden Einblick gewährt, sondern meist nur in einen Mittelwert einer Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts. Dieser Vergleichsgruppe müssen dann auch noch sechs Personen angehören. Klingt kompliziert. Und es trifft also nur auf sehr, sehr wenige Unternehmen zu. Nicht zu vergessen, dass der Antrag auf die Einsicht mit jeder Menge Papierkram verbunden ist und Also, gut gemeint, aber nicht wirklich optimal.
Was kann ich jetzt dagegen tun?
Reden. Redet über eure Gehälter! Privat und auch auf der Arbeit. Mit transparenten Gehältern wie bei einhorn (oder im öffentlichen Dienst), wird einer geschlechterbasierten Diskriminierung vorgebeugt. Wisst ihr, wie viel eure Freund*innen verdienen? Denn beim Thema Gehalt geht es nicht um Gier, oder Macht, sondern auch immer um eine Wertschätzung der Arbeit und des persönliche Einsatzes. Und die sollte nicht abhängig vom Geschlecht sein.
*Die Lohnunterschiede zwischen weißen cis-Männern und von Menschen, die zusätzlich noch aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihrer LGBTQI-Identität intersektional diskriminiert werden, sind übrigens noch viel größer. Dieser Blogeintrag beschäftigt sich aber erstmal “nur” mit den Unterschieden zwischen den Kategorien Frau und Mann, weil es zu intersektionaler Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland noch nicht so viele Zahlen gibt.
Anna
Danke für diesen Beitrag! Es ist so wichtig, dass wir Frauen uns getrauen und darüber sprechen. Ich wurde schon mehr als einmal von meiner Chefin(!!!) abgekanzelt, weil ich mit Peers und anderen über meinen Lohn gesprochen habe. O Ton: „Über den Lohn und Bonus spricht man in der Schweiz nicht“.
Doch! Ich wäre froh gewesen, hätte ich in meinen Anfängen im Berufsleben ein paar Zahlen zur Orientierung gehabt.
Darum liebe Frauen, sprecht offen darüber, mit allen, Frauen, Männer, Peers, denjenigen unter euch und über euch.
P.S. in der Schweiz ist der Gap im privaten Sektor mit 19.6% (Lohnstrukturerhebung 2016, Bundesamt für Statistik) leider nicht wirklich besser als in Deutschland.