Wissenswertes über einhorn

Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum?

Diese Fragen stellen sich anscheinend auch zahlreiche, fleißige Schüler*innen und Student*innen. Uns erreichen nämlich beinah täglich zuhauf Anfragen mit der Bitte um Hilfe bei Bachelor-oder Masterarbeiten (meist in Form von Interviews, für die wir neben unserer täglichen Arbeit leider fast nie Zeit haben). Doch dann kam uns eine – wie immer – außerordentlich smexy Idee:

Wir bzw. Philip (einer unserer Gründer, falls ihr das noch nicht wusstet) beantwortet einfach einmal all eure 2836482 Fragen, die euch auf der Seele brennen und wir veröffentlichen sie genau hier. Jetzt liegt der Ball wieder bei euch und ihr könnt euch euer Interview selbst zusammenstellen. Wie geil ist das bitte?!

Falls uns doch eine Frage durch die Lappen gegangen sein sollte, haben wir sogar eine Kommentarfunktion eingebaut. Hier könnt ihr noch nachträglich Fragen nachschieben, die wir dann zeitnah mit aufnehmen und ergänzen.

Beim Zusammenstellen dieser Fragen hat uns Leon Siam, Student an der Universität Witten /Herdecke, tatkräftig unterstützt. Hier findet ihr einmal den Link zu seiner Abschlussarbeit.

Jetzt wollen wir euch aber nicht länger auf die Folter spannen, also lets go:

Interview: 07.12.2021 

Fragen zur Gründung

Wann und mit welcher Intention wurde einhorn gegründet?

Die Idee für einhorn entstand schon 2014. Unser offizieller Termin beim Notar war allerdings der 27.02.2015.

Damals haben wir gegründet, weil wir beweisen wollten, dass Nachhaltigkeit und Wirtschaft irgendwie doch zusammenpassen, also dass auch Unternehmertum etwas Nachhaltiges tun kann. Wir haben gesagt, man müsste halt 50 Prozent der Profite reinvestieren und dann würde die Wertschöpfungskette mit diesen 50 Prozent unterstützt werden. So könnte man dann faire Lieferketten herstellen.

Wie seid ihr dann auf die Idee gekommen, Kondome und Menstruationsprodukte herzustellen und zu verkaufen?

Wir haben mit Kondomen angefangen und das war so: Meine Frau, damals noch Freundin (die übrigens Designerin ist und ebenfalls bei einhorn arbeitet) und ich, waren einkaufen und brauchten u.a. Kondome. Dann saßen wir vor dem Kondomregal und haben uns einfach aus Interesse diese ganzen Produkte angesehen. Ich hab dann einfach ein Foto vom Regal gemacht und an Waldemar geschickt, mit dem ich eh etwas nachhaltiges und faires gründen wollte.

Der war gerade unterwegs und schrieb zurück: Kondome sind eine scheiß Idee!

Die Menstruationsprodukte kamen erst viel später mit Cordelia dazu, die so ein bisschen die Menstruation zu einhorn gebracht hat, weil sie nämlich als Unternehmerin im Unternehmen angefangen hat. Davor hat sie in einem großen Konzern gearbeitet und wollte sich eigentlich selbstständig machen, aber stellte dann fest, dass es mit einhorn noch cooler sei. Es standen kurzzeitig auch andere Produkte, wie Toilettenpapier oder Deo zur Debatte, aber schnell war klar, dass man mit Menstruationsprodukten auch den größeren Impact erzielen kann.

Wie seid ihr auf den Namen „einhorn“ gekommen?!

Ja, da gibt es mehrere Gründe. Also einmal sind Waldemar und ich ja Ex -hardcore Kapitalisten, die mit dreißig Millionär sein wollten und denen alles scheißegal war. Wir wollten einfach einen möglichst schnellen Exit machen und unsere Schäfchen ins Trockene bringen. Deswegen wollten wir immer ein Unicorn Business gründen. Also ein eine Milliarde bewertetes Unternehmen. Dann fanden wir aber auch, dass ein Einhorn ein gender neutrales bzw. ein non gender Tier ist. Das kann sehr weiblich sein. Es kann aber auch sehr queer und männlich sein. Irgendwie ist das Einhorn so ein magisches everything. Außerdem kann das Horn des Einhorns, weswegen Einhörner damals ja so viel gejagt wurden, alle Krankheiten der Welt heilen.

Das ist natürlich sehr passend für ein Kondomunternehmen, wo es u.a. viel um Krankheitsschutz und Prävention geht. Und der Name Einhorn ist ja auch irgendwie gut, weil (…) ein Einhorn ist ja was, was es eigentlich nicht gibt. Aber mit Fantasie und wenn man daran glaubt, dann gibt es das irgendwie doch.
Wir dachten: eine Firma, die gleichzeitig wirtschaftlich, aber auch fair und nachhaltig handelt, gibt es ja nicht. Aber vielleicht könnten wir die dann sein, wenn die Leute daran glauben.
Wir haben uns ja über Crowdfunding finanziert. Und da haben sehr viele Leute eben an die Metapher Einhorn geglaubt und deswegen ist das erst möglich geworden.

An unsere Firma musste man schon immer glauben, damit es sie geben darf. Und es gibt diese Firma auch nur, weil genug Leute daran glauben, dass es sie geben muss.

Welche Werte lebt ihr bei einhorn?

Also wir haben drei Grundwerte Unicornique, Fairstainable und FUG.

Unicornique steht für Einhornziartig. Wir denken, bei allem was wir machen, ein bisschen um die Ecke. Dafür ist unser Geschenkspecial-Superdino wahrscheinlich ein gutes Beispiel. (…) Unsere Produkte sind ja sehr, sehr anders und auch die Art, wie wir wirtschaften, ist einfach sehr anders, als andere das machen. Das liegt glaube ich daran, dass wir vieles wieder und wieder überdenken, um zu schauen, was man noch tun könnte. Es gibt ja z.B. auch viele Sachen auf der Welt, wo man sagt, das geht gar nicht bzw. kann nicht funktionieren. Dann sagen wir „Okay, aber wenn wir dran glauben, dann geht es vielleicht doch.“ Das ist dieser Unicornique-Wert.

Fairstainable ist eine Wortschöpfung aus fair und sustainable und ist ein wenig an die Donut Economy angelehnt. Unser Unternehmen sollte sozial fair sein, aber auch natürlich für die Umwelt fair und nachhaltig.

FUG steht für Fight and Hug. Das soll bedeuten, dass man sich streiten darf, um daran zu wachsen und bessere Ergebnisse zu erzielen. In kapitalistischen, patriarchalen Strukturen ist „Streit“ irgendwie normal, aber das dient ja dann meist eher der Profitmaximierung oder dem Ego.
Damals haben Waldemar und ich wahnsinnig große Ego gehabt, aber es war immer das Ziel, das irgendwann rauszukriegen und wir werden immer besser darin.

Die drei oben genannten sind quasi unsere Grundwerte. Dann gilt bei uns aber noch zusätzlich: Partnerschaft statt Transaktion, also langfristige, nachhaltige Beziehungen. Oder auch Pull statt Push. D.h. wir wollen Projekte machen, die eine Art Sog erzeugen, dass viele freiwillig mitmachen wollen, anstatt Leute zu zwingen oder zu drängen etwas zu tun.

Allgemeine Fragen

Wie hoch ist der Anteil eures Gewinnes, den ihr wieder reinvestiert? Entweder in einhorn oder in sozial nachhaltige Projekte?

Wir reinvestieren 50 % unserer Gewinne in nachhaltige und soziale Projekte. Worin genau könnt ihr in unseren jährlichen Fairstainability-Reports nachlesen. Durch das Verantwortungseigentum könnte man aber eigentlich sagen, dass alles reinvestiert wird, da das Entnehmen von Profiten durch externe Investoren nicht mehr möglich ist. Deswegen bleibt alles in der Firma bzw. wird in verschiedenste Projekte reinvestiert. Und gerade überarbeiten wir dieses Konzept deswegen auch, weil es seit dem Verantwortungseigentum nicht mehr ganz passt.

Würdest du sagen, dass ihr als Unternehmen mehr kreativen Freiraum habt, da es keinen Druck seitens eines Investors gibt ?

Ja klar, zu 100 % ! Leider ist diese Rechtsform ja nicht so bekannt. Deswegen dachten wahrscheinlich viele Leute, als wir das Olympiastadion mieten wollten, um die Demokratie oder auch soziale Gerechtigkeit zu pushen, dass wir einfach eine Marketingaktion starten wollen. Was natürlich totaler Quatsch ist, wenn niemand davon profitiert. Wieso sollte ich Marketing machen, um mehr Kondome zu verkaufen, wenn ich davon gar nichts habe. Mir ist das scheißegal. Wir verkaufen genug Kondome, um mein Gehalt zu zahlen und mehr kriege ich eh nicht. Warum sollte ich das machen?

Auf die Idee wären wir nie gekommen, wenn wir in einem normalen kapitalistischen Denken wären. Dann hätten wir einfach eine Werbekampagne gestartet, wären in die USA expandiert und Tschüss.

Übrigens : als wir noch neo liberal, grün kapitalistisch gestartet sind, dachten wir auch erst, das sei genug. Aber die Arbeitsbedingungen in der kapitalistischen Welt sind nicht nur diskriminierend, sondern für alle ist es katastrophal. Es ist wirklich unfassbar und auch viele Agenturen unterstützen dieses System, weil sie damit Geld verdienen. Es ist ja ein Business Modell, schlechte Firmen so zu verkaufen, als ob sie gut seien, aber in Wirklichkeit sind sie es leider nicht.

Was konntet ihr / du von dem Familienunternehmen “Ottakringer” beim CEO-Tausch lernen? Und was könnten wiederum Familienunternehmer*innen von einhorn lernen?

Für mich war es voll die coole Erfahrung und Bereicherung. Die erste Reaktion nach meinen Vorträgen ist häufig, dass so ein CEO Tausch mit einem kleinen 30 Personen Unternehmen ja durchaus funktionieren kann, aber wie wäre es mit 200, 500 oder sogar 1.000 Leuten?

Für mich fühlt sich das so an, als wolle man sich damit nur frei von der Verantwortung nach Veränderung machen. So nach dem Motto : bei uns würde das sowieso nicht funktionieren, also brauche ich es gar nicht erst zu probieren. Alle können also weitermachen, wie bisher. Dabei ist es so super aufregend zu sehen, was mit den Leuten passiert, wenn man sie fragt, was sie wirklich machen wollen. Auch bei Ottakringer war das für mich super spannend. Ich kam da in hierarchisch geführte Strukturen und konnte die dann selbstorganisiert ansprechen. Ich habe total viele Leute einfach als Outsider fragen können, was sie eigentlich wollen. Und die hatten wirklich unfassbar geile Ideen. Ich habe da auch ganz andere Fragen stellen können als die Leute, die da seit 30 Jahren arbeiten. Man muss dazu sagen, dass Ottakringer ein sehr glückliches Familienunternehmen ist. Viele arbeiten da schon seit 20-30 Jahren. Also es ist ein cooles Unterehmen, sonst hätten wir es auch nicht mit denen gemacht. Und sie haben natürlich ein super cooles Produkt. Die Mitarbeiter*innen bei Ottakringer wissen voll, was sie da machen, die haben alle Bock. Und wenn du da Selbstorganisation einführen wollen würdest, dann würden sie das hinkriegen. Tatsächlich denken sie jetzt auch über so was wie Verantwortungseigentum nach.

Für unser einhorn Team, war der Cheftausch ein super witziges Erlebnis, der auch nachhaltig keine Auswirkungen haben kann, da wir ja gar keinen Chef haben. Es war witzig Matthias dabei zu beobachten, wie er mit unseren Strukturen umgeht und zurecht kommt. Und natürlich haben wir auch seine Kompetenzen in Anspruch genommen, da er ja Spezialist für Vertrieb und Logistik ist. Seine Tipps haben wir dankbar angenommen und nun nach und nach umgesetzt.

Wir überlegen ja gerade das wieder zu machen. Dieses Mal mit Tony’s Chocolonely. Aber keinen « klassischen » CEO-Swap, wo zwei hierarschische weiße Männer ihren Stuhl tauschen, sondern ein Team-Tausch. 10 einhörner gehen für eine Woche nach Amsterdam und übernehmen dort die Firma und andersrum kommen 10 Tony’s zu uns nach Berlin und dürfen sich mal so richtig austoben.

Besteht noch Kontakt zu der Start-Up-Szene und können sie nachvollziehen, dass ihr euren Purpose, den Gewinn untergeordnet habt?

Ich glaube die Meinungen sind da total durchwachsen. Es ist ja gesellschaftlich total okay und ich persönlich finde es auch immer noch okay irgendwie ein Unternehmen zu betreiben. So, wie wir es jetzt machen, finde ich es natürlich besser, sonst würden wir es ja nicht so machen. Aber ich finde auch das, was andere wollen in Ordnung. Wenn man denen dann aber genau erklärt, warum man das macht, finden die Meisten die Entscheidung einfach sehr logisch. Wenn wir anderen Unternehmer*innen erzählen, wie wir arbeiten oder ihnen unsere Terminkalender zeigen, finden sie das oft mega geil und würden das auch gern umsetzen, haben aber erstmal noch 40 Stunden Videocalls vor sich. Waldemar und ich hingegen haben erst Strategiemeeting in der Saune, dann gehen wir mit dem Team essen und danach gibt es eine Präsentation vom Fairstainability-Team, was wir in Thailand und Malaysia mit fairem Latex vorhaben. Wir wissen dann oft gar nicht, worum es geht, aber wir wissen, dass es super aufregend ist und wird.

Waldemar und ich hingegen nehmen uns jetzt die Zeit, um meditieren zu lernen (Timeless Wisdom Training). Was natürlich auch jedes andere einhorn tun darf, wenn es das möchte. Waldemar und ich machen jetzt mehr so Sachen, die man damals mehr privat als Hobby gemacht hätte. Nichts desto trotz sind diese Dinge super wichtiges Business-Know-How. Wenn die Firma wirklich impactvolle Sachen tun soll, die gesellschaftliche und strukturelle Grenzen überwinden sollen, dann musst du ja ganz andere Tools finden.

Fragen zu Verantwortungseigentum

Welche Fragen habt ihr euch auf den Weg zu "Verantwortungseigentum" gestellt? Was war für euch wichtig und welche Fragen sind immer wieder aufgekommen?

Bevor wir Dezember 2019 eine Purpose Company wurden, gehörten Waldemar und mir je 50 % der Firmenanteile.

Schon damals bei der Gründung wollten wir auf jeden Fall 50 % der Gewinne reinvestieren, aber eben auch 50 % behalten, da wir lange Zeit in einer Welt lebten, wo wir dachten, es sei das Wichtigste schnell reich zu werden, um viele finanzielle Mittel zu haben, die ja wichtig sind, um ein tolles und erfülltes Leben führen zu können.

Aber je mehr wir mit einhorn gemacht haben, desto mehr ist uns bewusst geworden, dass die Lohnarbeit auch Spaß machen und erfüllend sein kann. Zusammenarbeit kann viel mehr sein, als Lohn und Brot oder so. Geld und Reichtum ist uns mit der Zeit immer unwichtiger geworden.

Außerdem haben wir auch viele andere Unternehmer*innen gesehen und begleitet, die den Exit gemacht haben und dann sehr reich geworden sind, aber denen es dann gar nicht unbedingt besser ging. Also es war nicht so, dass die Unternehmer*innen den Exit gemacht und dann aufgehört haben zu arbeiten und plötzlich auf einer Insel saßen, super viele Bücher lesen konnten und sich Dinge geleistet haben, die sie sich vorher nicht leisten konnten. Sondern sie haben genau das gleiche weitergemacht. Sie fingen an zu investieren, haben eine Wohnung gekauft und dann waren sie plötzlich mit anderen Sachen busy. Aber eben nicht wirklich happy.

Dann begann bei uns das Umdenken. Wir mussten irgendwie herausfinden, was man eigentlich wirklich braucht. Durch Recherche erfuhren wir von einem sogenannten Grenznutzen bzw. einer Geld-Grenznutzen-Kurve. Die liegt für oder in Deutschland bei ungefähr viereinhalb oder fünftausend netto… darüber brauchst du nichts mehr. Unten steigt die Kurve sehr steil an. Als Student hatte ich irgendwie 600 Euro im Monat, da ist man natürlich irgendwie ein bisschen am Arsch. Dann steigt das total, wenn du dann 1.000 Euro hast, ist das ja schon ein wahnsinniger Sprung. Und wenn du dann 2.000 hast, ist es crazy. Und wenn du 3.000 hast, dann hast du eigentlich schon super viel, wenn du 5.000 hast, bist du gesättigt. Mehr brauchst du nicht, da kannst du was sparen. Du kannst dir eine gute Krankenversicherung leisten, du kannst immer essen gehen (…). 5.000 ist reich. Mehr brauchst du theoretisch nicht. Und dann haben wir gesagt: Okay, eigentlich wollen wir 5.000 netto und auch nicht mehr. Und die wollen wir aber natürlich so lange kriegen, bis wir tot sind.

Unser Ziel war ein bedingungsloses Grundeinkommen von 5.000 Euro im Monat, (…) dann wären wir reich genug. Und das (…) würde total reichen um happy zu sein.

Natürlich ist das viel weniger als das, was wir durch den Verkauf der Firma hätten bekommen können, was damals wahrscheinlich um die 20, 30 Millionen gewesen wären. Aber es reicht.

Dann war für uns noch spannend, welche anderen Werte es neben finanziellen Profit noch gibt, die wir für uns optimieren können, die vielleicht viel wichtiger sind als Geld? Aber das weißt du natürlich nur, (…) wenn du es weglässt.

Was erreicht ihr mit einem Unternehmen jetzt in Verantwortungseigentum, was ihr sonst nicht erreicht hättet? (…) Ist es ein Prozess, der losgetreten wurde, mit oder durch Verantwortungseigentum?

Damals sind wir ja ehrlich gesagt schon noch mit einer kapitalistischen, patriarchalen Energie in die Gründung gegangen, die zwar irgendwas Gutes im Schilde führte, aber rückblickend eher so ein „neoliberaler grünen Kapitalismus“ war. Es gibt ja leider sehr viele Unternehmen, die Produkt xy verkaufen und behaupten, es sei sehr gut, rettet gleichzeitig die Welt und wenn nur genug Leute es kaufen würden, werden wir alle wieder happy. Aber das stimmt natürlich nicht. Konsum wird niemals soziale Gerechtigkeit herstellen. Konsum wird unsere Welt nicht retten, sondern wir müssen weniger konsumieren, bewusster leben und wir müssen irgendwie besser teilen und soziale Gerechtigkeit schaffen.

Irgendwann stellten wir uns die Frage: „Wie viel ist eigentlich genug?“ Das ist natürlich eine krasse Frage. Du könntest alles nehmen, aber nimmst dann nur das, wovon du denkst, es müsste genug sein und den Rest gibst du ab. Diese Frage zieht sich natürlich durchs ganze Unternehmen.

Wir fragten uns (teilweise immer noch) u.a.: Müssen wir wachsen? Wollen wir überhaupt wachsen? Wie groß müssen wir denn sein? Wieso müssen wir denn so groß sein? Wollen wir neue Produkte machen? Wieso sollten wir neue Produkte machen? Was sind eigentlich gerade die relevanten Themen?

Glücklicherweise konnten wir diese Fragen schon immer ehrlich und eigenständig beantworten und entscheiden, da hinter einhorn ja nie ein*e Investor*in oder Aktionär*in steht, der / die sagt: „Ihr wollt 5 % Rendite machen. Seid ihr bescheuert? Ich investiere mein Geld woanders!“

Natürlich müssen wir Wirtschaftlichkeit und Profitabilität sicherstellen. Aber diese Über-Profitabilität braucht es einfach nicht. Stell dir vor, jemand hätte einhorn für 30 Millionen gekauft. Da müssten wir natürlich ganz anders wirtschaften, weil die Person, die 30 Millionen gezahlt hat, mindestens 30 Millionen wieder reinkriegen will, um das Ding dann wieder für 100 Millionen zu verkaufen. So eine Art Wachstum musste natürlich dann natürlich bringen und das ist, das perpetuiert sich ja die ganze Zeit in unserem Wirtschaftssystem. (…) Und so ist unsere Wirtschaft ja genauso die Wertschöpfungskette ausdrücken. Und es wird ja auch immer nur unten gespart. Die Aktionäre, das sind ja nicht die, die nachher in prekären Arbeitssituationen leben, sondern das sind wir. Das sind die, die dann danach profitieren. Und das ist ein bescheuertes System.

Welche Herausforderungen waren bei der Überführung ins Verantwortungseigentum präsent? Was war wirklich, wirklich schwierig, weil diese Rechtsform eben noch nicht so bekannt ist ?

Da wir damals ja alleinige Inhaber waren, mussten wir so ein paar steuerberatungs- und juristische Sachen regeln. Das war nicht sonderlich kompliziert, es gibt nur halt keine hundertprozentige Rechtssicherheit. Das ist das blöde daran. Also die Rechtsform hätte halt eine andere Stabilität, als so ein Vertrag und Stiftungskonstrukt. Was man dann basteln musste, ist einfach umständlich. Wenn man aber direkt in Verantwortungseigentum als Rechtsform gründen könnte, wäre es ja wie eine GmbH. Und das ist ja dann eine Firma, wie jede andere. Es wäre sehr viel krasser geprüft, als das, was wir jetzt haben. Aber für einhorn war es moralisch und wirtschaftlich gesehen jetzt total wichtig und sinnvoll. Also so zu wirtschaften, dass es wirtschaftlich sinnvoll ist und nicht eben nicht so, dass einer am Ende alles hat. Auch als selbstorganisiertes Unternehmen war das sozusagen der letzte Schritt, um dieses neue Arbeiten zu ermöglichen.

Es gibt ja sehr viele Unternehmen, die dieses New Work praktizieren, aber am Ende profitieren immer nur drei Personen davon. Und wenn nicht alle gleichberechtigt sind, ist das meiner Meinung nach eigentlich überhaupt nicht New Work. Es gibt ja ganz tolle Unternehmen, auch tolle Familienunternehmen und so. Es gibt aber eben auch sehr viele, die nur so tun, als ob sie super fair sind, aber am Ende bekommen nur eine Hand voll Leute alle Profite und erzählen dann, wie toll es ist, dass man Arbeitsplätze schafft. Aber man profitiert ja auch am meisten davon, dass eben diese Arbeitsplätze geschaffen werden.

Einer der Kritikpunkte an dieser möglichen neuen Rechtsform ist, dass wir ein Stiftungsrecht haben und das es auch möglich wäre mit einer Stiftung das Verantwortungseigentum umzusetzen. Warum habt ihr keine Einhorn-Stiftung gegründet?

Weil das unendlich aufwendig wäre und vor allem meistens einfach ein Steuersparmodell ist. Es gibt ja so Doppelstruktur Modelle (…). Aber die meisten Stiftungen sind als Steuersparmodell geplant. Wir wollen aber gar keine Steuern sparen, sondern wollen ja als ganz normale wirtschaftliche Entität,wie eine GmbH, angesehen werden. Außerdem ist eine Stiftung zweckgebunden. Also da würden Waldemar und ich eintätowieren, was wir für immer wollen. Aber wir wissen ja gar nicht, was wir wollen. Wir sind uns bereits einig, dass wir einen positiven, gesellschaftlichen Wandel wollen. Bzw. das wünschen wir uns und das könnte man bestimmt auch irgendwie festhalten. Aber wir wollen ja, dass die Leute, die hier arbeiten, entscheiden, was mit dem Unternehmen und ggf. den Profiten gemacht wird. Und natürlich wollen wir gemeinsam die Vision beschreiben, in der man das tut. Aber was weiß ich, was in hundert Jahren sinnvoll ist. (…)

Und das ist ja voll ein Problem : Stiftungen sind dann festgelegt auf irgendwas und können dann in bestimmte Sachen gar nicht investieren und können auch bestimmte Sachen gar nicht machen. Dabei wäre es vielleicht total im Sinne des Stifters, oder sogar im Sinne der Menschheit und der sozialen Gerechtigkeit, dass diese Stiftung ihr Geld auch in andere Sachen investieren könnte. Und das können sie dann aber nicht, weil sie anders festgeschrieben worden ist. Ich halte das, in einer Welt, die fast abgestorben ist, nicht für zeitgemäß, dass ich allein entscheiden soll, ob dieses oder jenes richtig ist. Das sollte, meiner Meinung nach, eher die Gemeinschaft entscheiden.

Im Gesetzentwurf § 77 c GMBHG-E gebV kann festgelegt werden, dass deine Geschäftsanteile nicht automatisch weitervererbt werden können. Jetzt ist meine Frage: Warum sollte ein Unternehmen, was du mitgegründet hast, nicht zwangsläufig deiner leiblichen Familie zukommen?

Ich hingegen frage mich, warum es das sollte. (…). Das Rechtssystem in Deutschland (und ich glaube auch fast weltweit !?) ist so aufgebaut, dass die Eltern ihren Kindern das vererben, was sie aufgebaut haben. Oft ist es dann auch so, dass die Kinder die Unternehmen oder die Liegenschaften ihrer Eltern weiterführen, unabhängig von Kompetenz, Zugehörigkeit oder sonst irgendwas. Das ist doch die Fortführung eines feudalen Systems. Das ergibt für mich überhaupt keinen Sinn !

Natürlich wollen alle, dass ihre Kinder abgesichert sind. Ich und Waldemar haben beide ja auch welche und auch wir beide wollen, dass sie für die Zukunft abgesichert sind, dass sie eine gute Bildung genießen können und sie ein Happy Life haben. Aber ich glaube nicht, dass mein Kind dann ein Happier Life hat, wenn es eine Firma erbt und sich dann eventuell zu irgendwas verpflichtet fühlt oder diese für Betrag X verkauft.

Das, was ja wirklich Bock macht, ist herauszukriegen, was man selber möchte, was einen interessiert und worauf man Bock hat. Das kriegt man aber nicht raus, wenn einem alles vorgegeben wird, sondern wenn man es rauskriegen darf. Und dabei hilft einem am meisten Freiheit.

Ich finde, alle Kinder auf der ganzen Welt sollten mit den gleichen Chancen starten und sich überlegen können, was sie wirklich machen wollen. Ich glaube, dass dann insgesamt alle viel glücklicher wären.

Die Mitarbeitenden in der Firma sollten nach meinem Austreten entscheiden können, wie es weitergeht. Die wissen das dann wahrscheinlich auch am Besten, weil ja alles selbstorganisiert ist.

Natürlich hoffe ich, dass es auffällt, wenn ich nicht mehr da wäre, aber trotzdem würde alles weiter funktionieren. Wir bräuchten jetzt nicht meinen Sohn, um hier das Sieferische Rektorat weiterzuführen. 😉

In vielen anders organisierten, hierarchischen Firmen wäre es wahrscheinlich so, dass der nächste Patriarch kommen müsste, weil die Firma sonst führungslos über hohe See schippert. einhorn führt sich aber selbst.

Ich habe bei der Recherche herausgefunden, dass ihr auch den Entreprenuer’s Pledge ins Leben gerufen habt.Was ist das genau und wie unterscheidet es sich von dem Konzept des Verantwortungseigentums?

Der Entreprenuer’s Pledge war so der erste Entwurf von Waldemar und mir, wie eine Firma der Zukunft aussehen könnte. (…) Der Entrepreneur’s Pledge ist ein Verbund von Unternehmer*innen, die wissen, wie man skaliert und wie man ein Großunternehmen aufbaut. Diese haben sich dazu verpflichtet in der Zukunft eine faire und nachhaltige Firma gründen, die mindestens 50 Prozent der Profite in die Wertschöpfungskette reinvestiert.

So haben wir damals einhorn gegründet und wir wollten schauen, ob es noch andere Leute gibt, die das machen wollen würden. Jetzt sind wir eine ganze Gruppe, die sich darüber austauschen kann. Innerhalb des Pledge’s können wir unser Netzwerk nutzen und uns gegenseitig helfen.

Bei einem Summit trafen wir dann Armin Steuernagel, der meinte, 50 % Reinvest reichen nicht und führte uns in die Welt von Verantwortungstum ein. Damals (vor ca. 7 Jahren) dachten wir auch noch « Was !? 50 % reichen nicht ?! Der spinnt doch ein bisschen ».

Ist es euch leicht gefallen, eure Mitarbeitenden für Verantwortungseigentum zu begeistern und mit auf die Reise zu nehmen ? Vor allem, wenn ihr euch erstmal klassisch gegründet habt und dann den Schritt ins Verantwortungseigentum gegangen seid.

Den meisten Mitarbeitenden (das ist nicht nur bei uns so) ist das mehr oder weniger egal. Sie hatten vorher keine Anteile und haben ja auch danach keine. Für die bringt die Enteignung eigentlich gar nichts. Ich glaube, den Meisten ist überhaupt nicht bewusst, dass Verantwortungseigentum mehr Sicherheit vor einem Verkauf bringt. Man macht halt trotzdem seinen Job. Dabei wird durch Verantwortungseigentum auch eine stabile Firma aufgebaut, die ganz anders entscheidungsbasiert ist.

Zu unserem Team gehören, würde ich zumindest behaupten, viele unternehmerisch denkende Leute. Das sind keine Mitarbeiter*innen im klassischen Sinn. Sie werden nicht von uns benotet, gefeedbackt, geführt oder sonst irgendwas. Wie vorhin schon erwähnt : sie führen sich selbst und sind alle ihre eigenen Chefs. Und so verhalten sie sich auch.

Schon damals, wo Waldemar und mir die Firma noch gehörte, wussten sie, dass wir nicht verkaufen wollen. Als wir es dann offiziell rechtssicher gemacht haben, waren das für sie wahrscheinlich nur eine Art Bestätigung.

Für Waldemar und mich war das aber der krasseste Schritt überhaupt, da es für uns auch persönlich viel mehr verändert, als für das Team. Also das Team fand das cool, keine Frage, aber wir dachten ehrlich gesagt, dass sie sich noch ein bisschen mehr freuen. Immerhin geben wir ja unseren Reichtum (für sie) auf. Das hat uns dann wieder gezeigt : Wenn du etwas tust, dann tu es für dich. Oder lass es halt.

Letztendlich ist das, was Waldemar und ich durch den Schritt Verantwortungseigentum gewonnen haben, unsere eigene Freiheit.

Habt ihr trotzdem eine Veränderung in der Teamzufriedenheit gespürt ? Z.B. in der Fluktuation oder dass die Leute weniger krank geworden sind ?

Wir hatten schon immer eine niedrige Fluktuation. Das hat sich auch nicht verändert. Das, was wir haben, sind zwei sehr glückliche Gründer, die sehr froh sind den Schritt gegangen zu sein und es auch zero bereuen. Hinsichtlich Entscheidungen, hat sich einiges getan. Wir treffen jetzt nämlich noch bessere. Das unterehmerische Denken im Unternehmen hat eine noch höhere Stufe erreicht. Hier kannst du wirklich tun, was du willst und unternehmerisch handeln. In anderen Unternehmen wird immer erst gecheckt, ob es auch was für den Shareholder Value bringt.

Bei einhorn hingegen hat jede*r die Freiheit sich zu entfalten. Wenn jetzt z.B. jemand 100.000 € braucht, um etwas auszuprobieren und es dann doch in die Hose geht – ja dann ist das halt so. Bei uns kann jedes Teammitglied unternehmerisch handeln. Es wird jetzt auch langsam immer mehr geübt und praktiziert. Klar, ab und an failen sie auch, aber dass ist allen anderen Unternehmer*innen bestimmt auch schon mal passiert.

Die Verteilung von Privilegien führt zwangsläufig dazu, dass die Leute sehr, sehr fähig sind.

Als meine Eltern mal zu Besuch waren, fragten sie mich, wie ich denn den Überblick über all das behalte, denn irgendjemand müsse doch wissen, was jetzt wo abgeht. Aber das weiß bei uns jede*r Einzeln*e. Ich muss doch nicht alle kontrollieren, um zu wissen, dass alles gut läuft. Bei uns kontrollieren sich alle selber. Eigenverantwortung und Vertrauen steht bei uns an oberster Stelle.

Du kannst zum Gehaltrat gehen (zu dem ich als Gründer nicht gehöre) und kannst sagen, ich will mehr Geld verdienen. Du kannst einfach über Probleme offen sprechen und musst niemanden etwas verheimlichen, um selber erfolgreicher zu sein (…) Du kannst einfach sagen mir geht es grad super schlecht, meine Mutter ist krank. (…) Ich hätte gern einen Monat frei. (…) Dann wird das Team zu 90 Prozent sagen: Ja klar.

Hat sich für dich persönlich das Unternehmer-Dasein gewandelt seit der Gründung von einhorn?

Damals dachte ich, Unternehmer*innen sein bedeuten führen und herrschen. Und natürlich innovieren, Sachen rausbringen und kontrollieren. Leute dazu bringen, das zu tun, von dem man denkt, dass es richtig ist. Inzwischen glaube ich, es geht darum, Sachen zu starten und dabei zu unterstützen, dass Dinge unternommen werden. Plattformen zu bauen, in denen Leute etwas unternehmen können. Es geht mir mehr um Befreiung und Durchbrechen von Unterdrückungsstrukturen.

Außerdem bin ich mittlerweile der Ansicht, dass es diesen Infinite Growth gar nicht braucht. Aber dem treu zu bleiben, ist gar nicht so einfach. Vielleicht funktioniert das mit Verantwortungseigentum, so dass man sagt, wir bauen lieber einen riesigen Leuchtturm mit 100.000 kleine einhörner a 30 Leuten, die alle selbstorganisiert arbeiten. Die können dann einfach die Unternehmen wechseln und arbeiten wie so ein loses Konstrukt miteinander. Sie beraten und helfen sich gegenseitig und sind so natürlich viel effizienter als jede andere riesen Firma. Die riesen Firma quetscht nämlich meistens nur die Wertschöpfungskette aus. Wenn das aber nicht notwendig ist, weil die Firmen sich alle selbst gehören, wäre das gar nicht notwendig. Man hätte 100.000 resiliente Mitarbeitende, aufgeteilt in 20 bis 50 Personen Unternehmungen, die alle intersektionell gedacht und in Verantwortungseigentum sind. Die alle kreative Prozesse verstehen und selbstorganisiert arbeiten. Wenn dann ein Unternehmen mal pleite gehen sollte, kommen die 50 Leute in eines der anderen Unternehmen. Das wär dann total egal, weil sie safe sind und wissen, wie es funktioniert. Das würde dann ein neuer Standard werden und wäre eigentlich die größte Firma der Welt, alle in Verantwortungseigentum. Ein Unternehmen, dass die Welt nicht abfucked und die Gesellschaft zerstört.

Wie hast du die Debatte um Verantwortungseigentum wahrgenommen? Also gab es positive Rückmeldungen? Oder gab es auch mal negative Rückmeldungen?

Ich habe beides wahrgenommen. Das witzige ist ja auch, dass Verantwortungseigentum eine Rechtsform ist, die niemandem was wegnimmt und trotzdem gibt es sie noch nicht. Sollte es meiner Meinung nach aber !

Trotzdem wird jetzt schon eine Debatte geführt, wo sich Leute intensiv dagegen sträuben, diese Art von Rechtsform einzuführen. Immer wieder wird einem unterstellt, dass wir Verantwortungseigentum nur fördern und fordern, um Steuern zu sparen oder andere Schlupflöcher zu finden. Dabei gäbe es dafür doch eh schon alle Konstrukte. Wenn ich Steuern sparen will, dann das kann ich ja machen, auch ohne Verantwortungseigentum.

Viel positive Resonanz hingegen gab es u.a. von unserem heutigen Vizekanzler, der ja in mehreren Interviews gesagt hat, er sei ganz verliebt in diese Gruppe von Unternehmer*innen, obwohl ihm das übrigens keine Spenden eingefahren hat.

Aber zurück zur Debatte: Es war lustig und auch irgendwie absurd, so mitzuverfolgen, wie sich immer wieder Stimmen bildeten, die von bestimmten Kräften getrieben worden sind, das Negative zu finden. Wir haben wir als Stiftung Verantwortungseigentum und auch als Organisation, Einzelperson oder Gruppe immer direkt reagiert. Als es hieß, die Rechtsform soll nicht Verantwortungseigentum heißen, wurde es gleich umbenannt und gemacht und getan. Trotzdem kam immer wieder was neues. Das Haar in der Suppe wurde quasi gesucht. Das fand ich schon ziemlich destruktiv, aber es ist ja oft mit allen neuen Sachen. Für einige Leute ist es sehr schwierig zu akzeptieren, dass es jetzt vielleicht etwas Neues gibt.

Es war übrigens auch eine sehr Angst geführte Debatte, wo viele Angst hatten, sie würden jetzt schlechter dargestellt werden. Diese Angst, dass etwas Neues kommt und dadurch abgewertet zu werden. Stattdessen könnte man ja einfach auch das Neue machen oder sich dem anschließen. Neues zu verbieten ist eigentlich nie die Lösung. Ich bin sehr gespannt, wie es da jetzt weiter geht.

Fragen zur Kultur

Ihr habt unbegrenzten Urlaub eingeführt und transparente Gehälter. Wie kam es zu der Idee, transparente Gehälter zu ermöglichen?

Jetzt mit der Enteignung ist das noch mal anders geworden. Aber ganz am Anfang waren Waldemar und ich ein bisschen der Ansicht, dass das geilste, was du werden kannst, Unternehmer*in ist. Wenn Unternehmer*innen so toll sind, was haben die denn für Tools, um so toll zu sein? Wir haben uns gefragt, was alle bekommen müssen, um genau so geile Ideen zu haben, wie wir. Hashtag Narzissmus.

Was können wir (Waldemar und ich als Gründer) denn machen, was die anderen Teammitglieder nicht können ? Wir können unsere Gehälter selber aussuchen und wir können unseren Urlaub selber bestimmen. Wir sind einfach sehr frei in dem, was wir tun.

Wenn die Firma schlecht läuft, müssen wir natürlich auch ins Risiko gehen und aussetzen. Also haben wir erst einmal damit angefangen Transparenz zu schaffen. Alle wussten, was auf dem Konto ist. Wir nehmen uns alle so viel, wie wir brauchen, aber auch nicht mehr. Und wenn wir wollen, können wir auch mal länger in Urlaub fahren. Aber dann müssen wir halt auch krass rein klotzen. Wir wollten in allen Köpfen dieses unternehmerische auslösen und das alle so arbeiten wie wir. Weil dann die Firma, unserer Ansicht nach, besonders erfolgreich ist. Was im Endeffekt ja übrigens voll der Trugschluss ist. Wenn alle so arbeiten würden, wie wir, würde nämlich nichts fertig werden oder alles nur angestoßen werden. Es gäbe dann niemanden, der tiefer arbeiten würde und Projekte dann nachher wirklich zu Ende führt.

Viele Unternehmer*innen denken ja, dass sie selbst alles am Besten können. Dabei können wir / sie alles nur am besten anfangen. Und ohne die einzelnen Teams würde gar nichts fertig werden.

Das klingt jetzt vielleicht sehr negativ, aber wir wollten, dass die Leute selbstbestimmter werden und über ihre Projekte selbst nachdenken. Und Transparenz sollte geschaffen werden. Zum Thema Urlaub : erholte Leute arbeiten besser als unerholte Leute und wir wollten einfach ausprobieren, ob das funktioniert. Es hätte ja sein können, dass alle plötzlich 6 Monate im Urlaub sind. Was für uns aber auch eine Rückmeldung gewesen wäre, denn das würde ja bedeuten, dass wir etwas grundlegend falsch machen, die Firma scheiße ist und niemand hier arbeiten möchte. Dem war aber nicht so.

Dann haben wir zusätzlich noch den « Kein Bock Tag » eingeführt. Pull statt Push : Wenn du keinen Bock hast zur Arbeit zu kommen, dann musst du nicht. Wenn dann jemand drei Monate in Folge jeden Montag keinen Bock gehabt hätte, hätte man sich schon gefragt, warum das so ist, aber man wüsste auch einfach Bescheid.

Das ist mir viel lieber als eine Krankschreibung, wo man sich fragt, ob die Person wirklich schwer krank ist. In Wahrheit haben sie dann aber meistens einfach nur keinen Bock. Da gibt es ja diese Gallup Studie. Ich glaube, in Deutschland haben 60 Prozent der Mitarbeitenden resigniert oder innerlich gekündigt, d.h. sie machen einfach Dienst nach Vorschrift. Also ein riesen Anteil, die keinen Bock mehr haben irgendwie wirklich an krassen Sachen mitzuarbeiten, die irgendwie wirklich etwas pushen wollen oder was Pullen wollen. Sondern sie machen einfach genau das, was von ihnen verlangt wird.

Die Leute haben also alle keinen Bock und sind auch nicht so motiviert, weil ja auch nur eine Person (und das sind nicht sie selbst) profitiert. Warum sollten die Leute da motiviert sein? Es bringt ihnen ja gar nichts.

Wie ist das mit den unbegrenzten Urlaubstagen?

Alle können soviel Urlaub nehmen, wie sie möchten. Einzige Bedingung: Die Erreichbarkeit via Handy muss weiter gewährleistet sein. E-Mails sollten beantwortet werden und wenn ein Termin eingestellt wird muss teilgenommen werden. Aber sonst ganz easy!

Ich habe in einigen eurer Vorträgen zur Unternehmenskultur bei einhorn den Satz aufgeschnappt, dass ihr nicht mit Arschlöchern zusammenarbeitet. Welche Werte sollte denn ein neue*r Mitarbeiter*in mitbringen, um bei euch arbeiten zu dürfen ?

 Also das mit den « Arschlöchern zusammenarbeiten » bezog sich natürlich auch auf Mitarbeitende, aber vor allem auf potenzielle Investor*innen und auch andere Partner*innen. Das ist uns extrem wichtig und deswegen überlegen wir auch unsere Zusammenarbeit einem der größten Onlinemarktplätze zu beenden, weil eben dieser ja bekanntlich nicht so einen guten Ruf hat.

Früher haben Waldemar und ich ja selber neue einhörner gesucht und eingestellt. Mittlerweile stellen die einhörner selbst neue einhörner ein usw. Die Teams überlegen sich selber, wen sie brauchen. Danach folgt eine Stellenausschreibung und wir (Waldemar und ich) werden ggf. noch zum Kennenlerngespräch mit einbezogen, um zu challengen, ob der kulturelle Fit da ist. Wir prüfen quasi, ob da jemand ist, der Bock und Potential hat, nett und wissbegierig ist. Arbeiten bei einhorn ist nämlich, gerade zum Anfang, wahrscheinlich oft nicht einfach. Man fängt nicht an und weiß genau, was zu tun ist. Wir sind ja kein Fließband, sondern schon sehr komplex. Eigentlich muss man arbeiten neu lernen. Hier gibt es niemanden, der dir sagt, was du zu tun hast. Es wird natürlich schon eine Richtung und eine Art Ziel oder Projekt vorgegeben, aber wie man dort hinkommt, findet jede*r selbst heraus. Man hat quasi seine Aufgaben auf der einen Seite und seine persönlichen Ziele auf der anderen und muss das bestmöglich irgendwie zusammen bringen, damit es flutscht.

Fragen zu den Produkten / Lieferkette

Welche Rohstoffe nutzt ihr für eure veganen Kondome und wo kommen sie her?

Wir benutzen Natur-Kautschuk-Latex. Der wird auf Kautschukplantagen angebaut. Früher war es in Malaysia und jetzt in Thailand in einem Agro-Forst-System. Das sind ganz viele Kleinbäuer*innen, die dort nachhaltige Landwirtschaft oder regenerative Landwirtschaft betreiben. Der Latex wird dann in Thailand bei einer Latexaufbereitung von unserer Partnerin Sudthida aufbereitet und von dort an unsere Kondom-Fabrik in Malaysia, also nicht unsere, sondern die unseres Partners Klaus (Richter Rubber Technologies) geschickt.Dort wird das Latex dann verarbeitet. Das war etwas, das am Anfang super schwer war, weil wir im Crowdfunding ja kaum bemerkbare Mengen abnehmen konnten. Inzwischen ist es so, dass unser Latex auch für andere Kondome und andere Produkte benutzt werden kann. Denn von Anfang an haben wir gesagt, wenn wir es schaffen, nachhaltigen Latex herzustellen, (…) also nicht nur nachhaltig, sondern regenerativ, dann müssen den so viele Leute wie möglich benutzen. Das haben wir jetzt geschafft und die Regenerative Rubber Initiative gegründet.. Also andere Kondommarken benutzen auch unseren Latex, können dann über Nachhaltigkeit reden und zahlen eine Prämie. Natürlich nicht an uns, sondern an die Bäuer*innenfür die Wertschöpfungskette.

Wie stellt ihr faire Arbeitsbedingungen sicher? Wie wird es kontrolliert?

Ja, tatsächlich ist das ja so ein Ding. Dieses Kontrollieren ist ja eigentlich wieder nicht cool, weil du dann ja wieder so ein kolonialistisches Verhältnis herstellst, wenn du sagst, wenn es nicht so und so ist, kaufen wir es nicht. Deswegen versuchen wir das gemeinsam mit lokalen Wissenschaftler*innen und den Bäuer*innen.

Sprich, wir sagen ihnen nicht, wie sie Dinge tun sollen, damit wir sie abnehmen, sondern wir fragen sie, wie man es denn machen müsste, damit es vernünftig ist.  Es gibt dann richtige Workshops zusammen mit den Bäuer*innen. Und es gibt Konferenzen, wo sich Leute zu regenerativen Kautschukanbau austauschen können.

Dann entwickeln die Leute ihr eigenes Konzept und sagen uns dann, dass das Produkt, was sie uns anbieten können Summe x kostet, dann geben wir ihnen Abnahmegarantien für alles, was sie produzieren und dass ist dann sozusagen unsere Rolle. Aber unsere Rolle ist natürlich nicht ihnen Schritt für Schritt vorzuschreiben, was sie tun sollen.