Warum wir über häusliche Gewalt sprechen müssen

Häusliche Gewalt – dem Klischee zufolge denken dabei viele zuerst an einen pöbelnden Alkoholiker, der seiner Frau in einer Sozialwohnung ein blaues Auge schlägt. Vielen scheint häusliche Gewalt als etwas, das abseits des eigenen Umfelds passiert, den eigenen Freund*innen würde das niemals passieren, geschweige denn einem selbst, schließlich würde man es selbst ja “überhaupt nicht soweit kommen lassen”.

 

Thema erledigt?

So einfach ist das nicht. Häusliche Gewalt ist ein Phänomen, das sich in Deutschland durch die gesamte Bevölkerung zieht und zwar weitestgehend unabhängig vom Bildungsstand, Einkommen, Alter und Religionszugehörigkeit. Einer repräsentativen Studie des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird jede vierte Frau in Deutschland im Laufe ihres Lebens Opfer von häuslicher Gewalt. Die Wahrscheinlichkeit, dass du eine Frau in deinem Umfeld hast,  die Gewalt seitens ihres  (Ex-)Partners erfahren hat, ist also ziemlich sicher.

 

Aber so ein blaues Auge fällt einem doch auf?

Sicherlich tut es das. Aber häusliche Gewalt ist nicht nur das blaue Auge, sondern sie hat viele Formen und fängt noch dazu meistens scheinbar harmlos an. Sie kann sowohl körperlicher, psychischer, sexueller, sozialer und finanzieller Art sein. Oftmals wird die betroffene Frau zunächst von ihrem Partner ständig kritisiert, beleidigt, gedemütigt oder lächerlich gemacht. Das führt langfristig zu einer Verunsicherung. Wenn dann noch die sozialen Kontakte kontrolliert und von Freund*innen isoliert wird, ist es für die Betroffenen oftmals gar nicht mehr möglich zu beurteilen, ob die Abhängigkeiten und Machtgefüge in der eigenen Beziehung verschoben sind. 

 

Puh,  dann kann ja alles Gewalt sein –  ist das ganze nicht ein bisschen übertrieben?

Klare Antwort: NEIN. Denn genau weil so viele Menschen häusliche Gewalt klein reden und sie nicht erkennen, ist sie so weit verbreitet. Betroffene fühlen sich nicht ernst genommen oder trauen ihrer  eigenen Wahrnehmung nicht und holen sich deshalb keine Hilfe. Und das kann tragisch enden: Häusliche Gewalt ist eine Menschenrechtsverletzung und in Europa die häufigste Todesursache von Frauen im Alter von 22-49 Jahren. Und die Gefahr, durch häusliche Gewalt verletzt zu werden, ist für Frauen höher, als an Krebs zu erkranken oder einen Verkehrsunfall zu erleiden – zusammengenommen! Außerdem wird häusliche Gewalt vererbt – Kinder, die häusliche Gewalt erlebt haben werden im Erwachsenenalter oftmals selbst zu Opfern – oder Tätern.

 

Verstanden – aber was kann ich machen?

Am wichtigsten ist es zunächst einmal, häusliche Gewalt zu identifizieren. Seid aufmerksam. Wenn sich eine Freundin von euch immer mehr zurückzieht, depressiv wirkt und schwer zu erreichen ist, können das schon Anzeichen dafür sein, dass in der Beziehung etwas nicht stimmt. Solltest du dann noch Verletzungen entdecken, ist es wichtig, die Person behutsam darauf anzusprechen und sie aber gleichzeitig nicht dazu zu drängen, wenn sie in dem Moment nicht darüber sprechen will. Biete ihr aber an, dass du da bist und signalisiere deine Solidarität und Hilfsbereitschaft. Und das Wichtigste: Nimm die Situation ernst. Es gibt zahlreiche Hilfsangebote im Internet, zum Beispiel unter diesem Link: https://www.frauenrechte.de/online/themen-und-aktionen/haeusliche-und-sexualisierte-gewalt/unterstuetzung-fuer-betroffene

 

Konkret heißt das…

…wir müssen über häusliche Gewalt sprechen, weil sie gefährlich ist, uns alle angeht und im öffentlichen Diskurs im Vergleich zu ihrer eigentlichen, verborgenen Relevanz viel zu selten thematisiert wird. Wir müssen darüber sprechen, um den Betroffenen zu signalisieren, dass es nicht okay ist, was sie erleiden und dass es Unterstützung gibt, um sie aus diesem Teufelskreis zu befreien.  Auch wenn die #metoo-Debatte schon ein Mehr an Awareness geschaffen hat, was sexualisierte Gewalt angeht, hat häusliche Gewalt noch nicht diese Aufmerksamkeit bekommen, die gebraucht würde, um sie und ihre Opfer sichtbar zu machen.

 

Quellen: terredesfemmes.de, re-empowerment.de

 

Bild: deutschlandfunkkultur.de


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