Der erste Fleck

Als Teenager*in ist alles ein bisschen verwirrend: lang geliebte Hobbies machen auf einmal keinen Spaß mehr, die Eltern nerven, der/die beste/r Freund*in versteht einen nicht mehr, die Laune ist lächerlich gut und im nächsten Moment möchte man sich einfach nur ins Bett werfen und heulen. Noch dazu wächst der eigene Körper auf unberechenbare Art und Weise in  alle möglichen Richtungen und plötzlich sind da Haare an Körperstellen, die da vorher noch nicht waren. Die Pickel sprießen und das Vergleichen mit Gleichaltrigen macht es auch nicht gerade besser, weil jeder Körper ohnehin anders ist und sich auf verschiedene Art und Weise in unterschiedlichem Tempo entwickelt.

Und irgendwann kommt dann der Tag, an dem da dieser Fleck in der Unterhose ist. Manche trifft dieser Moment komplett unvorbereitet und unaufgeklärt. Viele aus unserer Instagram-Community bei @einhorn.period berichten, dass sie erst 9 oder 10 Jahre alt waren und dachten, sie wären sterbenskrank oder verletzt, weil Blut eigentlich immer bedeutet, dass etwas im Körper nicht in Ordnung ist, bzw. bestimmter Aufmerksamkeit bedarf (dabei ist  unser Menstruationsblut ironischerweise ein Indikator dafür ist, dass wir theoretisch dazu in der Lage sind, ein Kind zu bekommen).

Die blaue Flüssigkeit in der Werbung von konventionellen Hygieneartikelherstellern tut da ihr Übriges, denn wenn Menstruationsblut im Fernsehen blau ist, dann muss der Fleck im echten Leben ja auch die gleiche Farbe haben, oder nicht? In so jungen Jahren kann einen das ganz schön durcheinander bringen. Wenn die Periode früh und unvorbereitet kommt, fühlen sich viele wie gewaltsam aus der Kindheit entrissen.

Und auch die Eltern sind dann oftmals etwas überfordert und überrumpelt, wenn die Periode beim eigenen Kind ein paar Jahre früher einsetzt als erwartet. Sie handeln dann nicht mit der Empathie und Wärme, die man in dem Moment vielleicht eigentlich braucht. Da wird dann oftmals nur ein Paket Binden überreicht und angemerkt, dass das jetzt jeden Monat so ist, frei nach dem Motto – du wirst jetzt erwachsen, deal with it.

Anderes Szenario: man wurde durch Schule, Eltern, Freund*innen oder Medien dürftig aufgeklärt und weiß wenigstens ungefähr was los ist, wenn die erste Periode Premiere feiert. Man hat schon irgendwie eine leise Ahnung und wenn der erste Fleck dann da ist, ist es irgendwie okay. Vielleicht freut man sich sogar ein bisschen.

Ebenso kommt es aber auch vor, dass „das erste Mal“ erfunden wird und den Freund*innen verheimlicht wird, dass die eigene Periode noch auf sich warten lässt. Denn auch die einzige Person ohne Periode zu sein, wenn alle anderen um einen herum schon fröhlich menstruieren ist nicht unbedingt einfach. Schließlich ist es ein bisschen wie die Aufnahme in einen geheimen Club, zu dem man dazugehören möchte. Das einzig positive daran ist, dass man mit „fortgeschrittenem“ Alter meistens schon relativ gut informiert ist und nicht so sehr davon überwältigt und verunsichert ist, wie diejenigen, die zuerst bluten.

Ganz gleich, ob die Periode einen überrascht oder verwirrt, herbeigesehnt wird oder man deswegen lügt. Letztendlich ist es nicht so furchtbar wichtig, wann die Menarche das erste mal auftritt, sondern wie damit umgegangen wird. Die Reaktion der eigenen Mutter (oder des Vaters) ist maßgeblich für die Erinnerung an und Einstellung zur eigenen Periode und damit auch dem Verhältnis zum eigenen Körper. Denn wenn man mit jemandem über seine Menstruation sprechen sollte, dann doch mit der eigenen Mutter! Denkste! Die Fälle, in denen die Periode vor der eigenen Mutter verheimlicht wird, sind gar nicht mal so selten. Das ist belastend, kann ungesund sein, weil durch das Verschweigen oftmals auch der Besuch zur Gynäkologin/ zum Gynäkologen ausbleibt. Das „Verheimlichen“ der eigenen Menstruation kann verschiedene Gründe haben, aber ein wichtiger Faktor ist definitiv, dass die Periode in unserer Gesellschaft leider noch immer schambehaftet ist.

Die Geschichten aus unserer Community, in denen die erste Periode (der Fachbegriff lautet übrigens “Menarche”) gefeiert wird und man ein großes Eis oder einen Strauß Blumen geschenkt bekommt, sind ein positives Beispiel dafür, wie man es dem eigenen Kind in einer Zeit voller Hormonchaos ein bisschen einfacher machen kann. Und auch ohne Geld für Eiscreme oder Blumen ist ein offenes Ohr, Empathie und ein bisschen Zeit für Erklärungen etwas, wofür das eigene Kind einem über den ersten Fleck hinaus dankbar sein wird.

 

 

 

gif: ovaryactions.com